AHEAD European Archive of Historical EArthquake DataEuropean Archive of Historical EArthquake Data

Homepage
Elenco studiData sources
Elenco terremotiEarthquakes
  
 

Gisler et al., 2008

Gisler M., Fäh D., Giardini D. (eds.), 2008. Nachbeben. Eine Geschichte der Erdbeben in der Schweiz. Haupt Verlag, Berne, 187 pp.

link      PDF abstract only 

Abstract

[In german]

Erdbeben in der Schweiz: Geschichte nach dem Beben

Erdbeben sind unerwartete Ereignisse, die ohne Vorankündigung auftreten und große Schäden verursachen können. Sie beeinflussen soziale, ökonomische und mentale Strukturen. Eine Geschichte von Erdbeben ist deshalb immer auch eine Geschichte von Menschen und sozialen Systemen, die dazu gezwungen waren, mit ihnen zu leben. In diesem Buch beschäftigen wir uns mit den historischen Erdbeben auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Wir verfolgen die Geschichte nach dem Beben, rekonstruieren aus historischen Schriften und beschäftigen uns gleichermaßen damit, wie über Erdbeben geschrieben wurde. Wir erzählen sie als Teil unserer Geschichte und als Hinweis auf die Zukunft. Ein Blick in die Erdbebengeschichte zeigt, dass Menschen gerne verdrängen. Insbesondere starke Erdbeben, die zeitlich und geografisch unregelmäßig auftreten und Generationen überspringen, werden von den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen, aber auch von ihren Nachfolgegenerationen gerne und rasch verdrängt. Gerade deshalb scheint es uns notwendig, sich mit der Geschichte von Erdbeben zu befassen. Denn wo sich Erdbeben einmal ereignet haben, werden sie wieder auftreten. Ende der 1990er-Jahre beschloss der Schweizerische Erdbebendienst (SED) im Rahmen eines größeren Projekts eine Revision der bis anhin bestehenden Erdbebenkataloge durchzuführen. Diese Arbeit wurde im Jahr 2002 abgeschlossen. Resultat des Projekts war der «Erdbebenkatalog der Schweiz und des grenznahen Auslandes» («Earthquake Catalog of Switzerland»; ECOS02). In diesem Katalog sind sämtliche bekannten historischen Erdbeben seit dem Jahr 250 verzeichnet. Rund zwanzig Mitarbeitende waren an der Erarbeitung von ECOS beteiligt: Historikerinnen und Sprachspezialisten, Seismologinnen und Informatiker - eine klassisch interdisziplinäre Arbeit. Im Rahmen der geschichtswissenschaftlichen Bearbeitung der Ereignisse wurden aus zahlreichen Archiven und Bibliotheken der Schweiz und den angrenzenden Regionen Hunderte von Dokumenten (Manuskripte, Bücher, Zeitschriften, Zeitungen usw.) zusammengetragen und nach Hinweisen auf Erdbeben durchforstet. Alle verfügbaren Studien, Kataloge und Datenbanken der Schweiz und der Nachbarländer wurden abgeglichen und in einer neuen Datenbank zusammengefasst. Insgesamt wurden für die Schweiz mehr als 500 Erdbeben historisch neu bewertet. Davon erreichten 144 die maximale Intensität (Ix) VI oder höher, verursachten also - zum Teil schwere - Schäden an Gebäuden. Über 400 Ereignisse konnten als fehlerhaft, oder als Duplikate, identifiziert werden. Und vereinzelt wurden auch bislang unbekannte Beben «entdeckt». In einem nächsten Schritt wurden die gewonnenen Daten seismologisch ausgewertet. Für jedes Erdbeben mit nennenswerten Auswirkungen wurde eine sogenannte makroseismische Karte erstellt. Diese zeigt auf, wo ein Erdbeben zu welchen Auswirkungen geführt hat (vgl. die Europäische Makroseismische Skala in Anhang 3). Bei einem Teil der Erdbeben war die Anzahl der Orte, von denen Auswirkungen bekannt sind, genügend groß, um die Magnitude, das Gebiet des Epizentrums sowie die Tiefe des Erdbebenherdes zu berechnen. Als Basis dienten Auswertungen seismologischer Aufzeichnungen, die aus den wichtigsten europäischen Erdbebenobservatorien stammen und alle großen Schweizer Beben umfassen, welche sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts ereignet haben. Die neu beurteilten historischen Ereignisse bilden eine der Grundlagen für die neuen Erdbebengefährdungskarten der Schweiz (http://www.seismo.ethz.ch). Diese zeigen für eine vorgegebene Auftretenswahrscheinlichkeit auf, mit welcher Stärke sich Erdbeben in welchen Regionen ereignen können. Die in diesem Buch publizierten Daten und Fakten basieren auf dem Schweizerischen Erdbebenkatalog (ECOS02); die Beiträge sind jedoch explizit für dieses Buch geschrieben worden. Das Buch enthält - allenfalls abweichend von ECOS02 - Ergänzungen, Neubearbeitungen und Nachrecherchen. Im Hauptteil des Buches werden einige für die Schweiz wichtige Erdbeben beschrieben. Wir präsentieren Zahlen und Daten zu den Ereignissen, aber auch Überlegungen, die wir uns im Zusammenhang mit der Sammlung und Auswertung der historischen Dokumente - der eigentlichen Grundlage der Erdbebendatenbank - gemacht haben. Es wird wiederholt gezeigt, dass die Daten, die einem Erdbebenkatalog zugrunde liegen (und das gilt für alle historischen Erdbebenkataloge), manchmal schwierig zu deuten oder einzuordnen sind. Beigestellte Exkurse dienen der Erhellung einzelner Details. Ein Glossar (s. Anhang 4) ergänzt die Ausführungen in den einzelnen Kapiteln und dient dem Verständnis der seismologischen Begriffe. In Anhang 1 findet sich eine Übersicht über die bekannten Schadenbeben in der Schweiz. Für die angegebenen Intensitätswerte findet sich ebenfalls im Anhang eine entsprechende Aufschlüsselung.

Spuren des Wissens

Bei der Untersuchung der Erdbeben in der Schweiz können nur jene Ereignisse aufgearbeitet werden, die ihre Spuren in schriftlichen Dokumenten - allenfalls ergänzt durch archäologische Daten - hinterlassen haben. Oder anders gesagt: Nicht alle Erdbeben haben ihren Weg in die geschriebenen Aufzeichnungen gefunden. So gerieten insbesondere schwächere Ereignisse bald nach ihrem Auftreten in Vergessenheit. Je weiter ein Erdbeben zurückliegt und je schwächer es ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass zu seinen Auswirkungen keine Informationen überliefert wurden. Vor allem zwischen 250 und 1600 haben sich in der Schweiz wohl unzählige Erdbeben von geringer, mittlerer und allenfalls vereinzelt auch von hoher Intensität ereignet, von denen wir keine Kenntnis haben. Von den insgesamt 525 Erdbeben mit Intensität (I0) gleich oder größer V, die in der Schweiz und im grenznahen Ausland aus den letzten tausend Jahren bekannt sind, haben sich 180 allein im Zeitraum zwischen 1878 und 2001 ereignet. Grundsätzlich ist die Vollständigkeit der Erdbebenaufzeichnungen regional, zeitlich und für verschiedene Intensitätsklassen unterschiedlich. Man kann jedoch davon ausgehen, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an alle Erdbeben einer bestimmten Stärke bekannt sind. Dieser Zeitpunkt ist jedoch nicht für alle Intensitäten derselbe. Die in diesem Buch aufgeführten überlieferten Darlegungen zu den Erdbeben sind trotz Genauigkeit und Sorgfalt beim Erschließen, Entziffern und Interpretieren aller greifbaren historischen Belege nicht immer vollständig. Dies hat verschiedene Gründe. Dokumente (sogenannte historische Quellen), die bei der Bearbeitung von historischen Erdbeben zur Verfügung stehen, weisen bezüglich ihrer Beschaffenheit sowie der Umstände, in denen sie entstanden sind, eine große Variabilität auf. So wurde ein Erdbeben, das sich vor 800 Jahren ereignete, grundlegend anders dargestellt, als eines, das erst vor achtzig Jahren stattfand. Aber auch die Anzahl der Quellen variiert stark. Für die Rekonstruktion des Erdbebens von Churwaiden von 1295 beispielsweise (vgl. Kapitel 4) standen uns lediglich zehn Dokumente zur Verfügung (was für diese Zeit recht viel ist) - für das Walliser Erdbeben vom Dezember 1755 dagegen waren es gegen hundert. Die Anzahl der vorliegenden Dokumente ist jedoch nicht allein ausschlaggebend. Wir werden in den einzelnen Kapiteln deshalb immer wieder auf Lücken und Unsicherheiten bezüglich der Beschreibung der Ereignisse hinweisen. Bei Weitem die größte und wichtigste Gruppe der Quellen mittelalterlicher und moderner Geschichte ist jene der schriftlichen Aufzeichnungen. Dabei handelt es sich bis zur Institutionalisierung der Schweizerischen Erdbebenkommission im Jahr 1878 - und den damit verbundenen Anfängen der systematischen Aufzeichnung von Erdbeben - vorwiegend um sogenannt erzählende Texte (im Gegensatz zu seriellen Quellen wie Statistiken oder Seismogrammen). Diese Texte können durch archäologische oder bildliche Quellen (Ausgrabungsresultate, Fotos usw.) ergänzt werden. Für die Zeit bis circa 1300 stehen uns ausschließlich Jahrbücher (sogenannte Annalen) zur Verfügung. Dabei handelt es sich in der Regel um chronikalische Aufzeichnungen, die vermerken, dass ein Erdbeben stattgefunden hat, dabei aber die genaueren Umstände und das Ausmaß des Bebens weglassen. Vielfach fehlen sogar Angaben zum exakten Tag oder zum Ort des Geschehens. Erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts werden die Beschreibungen ausführlicher, zum Beispiel für das bereits erwähnte Erdbeben von 1295 in der Region Chur. Die ersten Chroniken kommen in der Schweiz im 14. Jahrhundert auf; dabei handelt es sich um weltliche, meist geschichtliche Darstellungen bestimmter Städte, Regionen oder einzelner Familien. Eines der ältesten Witterungstagebücher der Schweiz, das die Jahre 1399 bis 1405 umfasst und vermutlich in Basel entstanden ist, erwähnt auch Erdbeben. Briefe finden sich vermehrt zu Ereignissen im 16. Jahrhundert, so etwa über das Beben im Genferseegebiet von 1584 in der Wickiana, einer illustrierten Chronik der Reformation von 1560 bis 1587, angelegt vom Zürcher Johann Jakob Wick (1522-1588). Auch öffentliche und halböffentliche Schriften wie beispielsweise Pfarrbücher, Ratsprotokolle oder Ratskorrespondenzen berichten in Einzelfällen über Erdbeben. Aus der Mitte des 14. Jahrhunderts stammt die älteste überlieferte Erdbebenkompilation, verfasst von Fritsche Closener, eine kleine Sammlung, die Erdbeben in chronologischer Reihenfolge auflistet. Ende 15., anfangs 16. Jahrhundert erscheinen die ersten Flugschriften, die den Zweck haben, Informationen zu verbreiten - es handelt sich gewissermaßen um Vorläufer von Zeitungen. Bald gesellen sich frühe Zeitungen und erste wissenschaftliche Berichte dazu, so die Arbeit von Renward Cysat zum Unterwaldner Beben von 1601. Im 18. Jahrhundert beginnt in der Schweiz die wissenschaftliche Erforschung von Erdbeben im engeren Sinn. Die Ausführungen zu den einzelnen Ereignissen werden länger, der eigentlichen Beschreibung des Geschehens folgt oftmals eine Reihe interessanter Überlegungen zu Ursache und Verlauf eines Erdbebens. Ebenfalls im 18. Jahrhundert nimmt die Zahl der Zeitungstitel zu. 1878 wird die Erdbebenforschung durch die Einrichtung der Schweizerischen Erdbebenkommission - der Vorläuferin des Schweizerischen Erdbebendienstes - institutionalisiert. In der Folge nehmen die Berichte über Erdbeben zahlenmäßig zu. Insbesondere die Jahresberichte der Erdbebenkommission bieten eine Übersicht über alle beobachteten Erdbeben während des Wirkens dieser Kommission. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstehen erste brauchbare Seismografen. 1911 wird in Zürich die erste schweizerische Erdbebenwarte eröffnet. Mitte der 1970er-Jahre installiert der Schweizerische Erdbebendienst ein hochempfindliches seismisches Stationsnetz, das in den folgenden Jahren kontinuierlich ausgebaut wird. Seither können Erdbeben - auch solche, die für den Menschen nicht spürbar sind - verlässlich aufgezeichnet und ausgewertet werden. Obwohl diese technischen Mittel zu einer explosionsartigen Zunahme von Erdbebendaten geführt haben, ersetzen diese Aufzeichnungen nicht das Sammeln von Beobachtungen der Auswirkungen eines Erdbebens, wie das seit Jahrhunderten gemacht worden ist. Die Aufarbeitung der historischen Erdbeben vor 1975 basiert vielfach ausschließlich auf der Auswertung solcher Erdbebenbeobachtungen. Diese werden in der Regel aus den Archiven der Kantone, Städte und Gemeinden sowie einzelner Klöster erschlossen. Seit der Einrichtung der Erdbebenkommission Ende des 19. Jahrhunderts wird der Erdbebendienst im Fall eines Erdbebens zudem selbst aktiv, verschickt Fragebogen an die betroffenen Gemeinden und sammelt Hinweise zu den Auswirkungen. Seit Kurzem kann man solche Beobachtungen zudem auch über Internet melden: http://www.seismo.ethz.ch. Diese Beobachtungsberichte werden analysiert und bilden die Grundlage für die aktuellen makroseismischen Karten.

Die Auswertung der schriftlichen Quellen

Für unsere Untersuchungen galt es, eine breite Zeitspanne zu berücksichtigen, wobei die Gesellschaft im Gebiet der heutigen Schweiz im Lauf der Jahrhunderte eine starke Wandlung durchlaufen hat: Glaube, Wahrnehmung und Denken jeder Generation sind durch spezifische Mentalitäten und Normen geprägt, die ihrerseits auf die menschlichen Handlungen wirken. Die in einer bestimmten Zeit entstandenen schriftlichen Aufzeichnungen sind von diesen Vorstellungen stark geformt. Erdbebenberichte standen vor allem im Zeichen der Bewältigung des Ereignisses. Der bloßen Beschreibung eines Bebens folgten deshalb oft Deutungen, die das Ereignis in einen Sinnzusammenhang stellten. Während langer Zeit deuteten die Menschen Erdbeben als göttliches Zeichen. Erdbeben wurden als Warnung oder gar als Strafe Gottes interpretiert. Erst mit einer kritischeren Haltung gegenüber der eigenen Religion wurden solche Annahmen mehr und mehr hinterfragt. Wir mussten uns bei der Auswertung der Quellen also Fragen zu den Verfassern und deren Umfeld stellen, deren Eigenbeobachtungen von Fremdinformationen zu trennen versuchen, die Datierung prüfen, den Beobachtungsort und die zeitliche Distanz zwischen Ereignis und Niederschrift umschreiben, die persönliche Betroffenheit abschätzen und vor allem die inhaltlichen Aussagen im sprachlich historischen Kontext ausloten und mit möglichst zahlreichen Quervergleichen absichern. Bei der Analyse der schriftlichen Zeugnisse mussten auch die verschiedenen Funktionen der Dokumente in Betracht gezogen werden. Chroniken etwa wurden zur Identifikationsstiftung abgefasst, um einer Stadt, Region oder Gemeinschaft eine kollektive Identität zu geben, zum Beispiel indem eine gemeinsame Geschichte konstruiert wurde. Dazu dienten auch Darstellungen von Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Hochwasser. Entsprechend vielfältig war die Art und Weise, wie ein Erdbeben beschrieben wurde. Nicht immer kann davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um authentische Darstellungen handelte. Ein weiteres Beispiel sind Briefe. Diese werden heute als sehr persönliche Dokumente betrachtet, mittels derer sich üblicherweise zwei Personen austauschen und die dabei rein privater Natur sind. Dies war nicht immer so. Im 18. Jahrhundert beispielsweise dienten Briefe unter anderem der Regelung von ökonomischen Angelegenheiten, dem Austausch von Forschungsresultaten oder von politischen Belangen. Oftmals wurden diese Briefe nicht nur zwischen zwei Personen ausgetauscht, sondern gingen von Hand zu Hand. Nicht selten beschlossen die Verfasser, einen Briefwechsel zu veröffentlichen. Der Brief hatte also in früheren Jahrhunderten eine ganz andere Funktion als heute. (Seit der breiten Nutzung von E-Mail verändert sich die Funktion des Briefes erneut.) Im Weiteren muss man berücksichtigen, auf welchem Weg die Informationen zustande gekommen sind, die man einer bestimmten Quelle entnimmt. So enthielten beispielsweise Zeitungen des späten 17., des 18. und auch noch des frühen 19. Jahrhunderts vor allem Informationen, die den Verlegern von Personen jeden Standes aus verschiedenen Regionen zugesandt wurden. Der Mangel an schriftlicher Wortgewandtheit wurde durch eine hohe Qualität der Information (Detailtreue, Wahrheitsgehalt usw.) ausgeglichen. Informationen in den Massenmedien des letzten und dieses Jahrhunderts beruhen dagegen oft auf sekundären Aussagen oder auf Agenturberichten, deren Wahrheitsgehalt kaum mehr überprüft werden kann. Es war für uns folglich wichtig, zu einem Erdbeben wenn immer möglich über eine ausreichende Anzahl verschiedener Quellen zu verfügen. Der Idealfall war eine Mischung aus Einzelaussagen (Briefe, Tagebücher) und seriellen Aufzeichnungen: Während persönliche Dokumente Informationen aus einer einzelnen, dafür detailgetreuen Perspektive aufzuzeigen vermochten, konnten generalisierende Quellen einen allgemeinen Eindruck und einen Gesamtüberblick über ein Ereignis geben. Beide Arten von Information waren wichtig, aber nicht immer standen uns verschiedene Textsorten zur Verfügung, die miteinander verglichen werden konnten. Dies zeigt eindrücklich die Quellensituation im Wallis, wie sie in Kapitel 8 dargelegt wird.

Begriffe und ihre Bedeutungen

Wenn beim Lesen alter Texte Schwierigkeiten auftauchen, dann unter anderem deshalb, weil gewisse Begriffe benutzt wurden, die wir heute nicht mehr kennen oder anders verwenden. So folgten die Verfasser zum Beispiel (hoch)mittelalterlicher und humanistischer Quellen (also Quellen des 13. bis 16. Jahrhunderts) oft gewissen sprachlichen Traditionen und förderten entsprechend die Verwendung gewisser Begriffe. Wurde etwa der Begriff «terrae motus magnus» (lat., großes Erdbeben) verwendet, kann man daraus nicht zwingend schließen, dass es sich dabei um ein starkes Ereignis gehandelt hat. Der betreffende Autor könnte auch einfach eine besondere Vorliebe für das steigernde Beiwort magnus (= groß) gehabt haben - gerade mittellateinische Quellen folgten oft einer rhetorischen Sprachtradition, die das Wuchern sachlich unnötiger Beiwörter begünstigte. Oder er könnte mit seinem Text eine besondere, zum Beispiel moralisierende Absicht verfolgt haben und wollte durch die Wahl dieses Beiwortes die Größe Gottes, der das Erdbeben geschickt hatte, hervorheben. In der mittelalterlichen Denkweise waren Erdbeben mit den biblischen Bildern der Apokalypse verknüpft, die durch eine Serie von Naturkatastrophen angekündigt werden würde. Die Bedeutung einer göttlichen Vorhersage, die das Ende der Welt prophezeite, und die damit einhergehende Angst, verweist auf eine Kultur, die das außerordentliche und zerstörerische Ereignis als Zeichen göttlicher Strafe verstand. Ein solches Verständnis von Erdbeben wurde Teil der Beschreibung des eigentlichen Ereignisses. Aus diesem Grund bediente sich ein Autor eines Arsenals bildlicher Anordnungen, sogenannter Topoi. Ein solcher Topos konnte zum Beispiel die Erwähnung entwurzelter Bäume als Folge eines Erdbebens sein. Das Bild der entwurzelten Bäume illustriert in diesem Fall das apokalyptische Erdbeben und gibt nicht ein konkretes Begleitphänomen eines Erdbebens wieder. Dasselbe gilt für die Verwendung bestimmter Zahlen: Die Zahl sieben beispielsweise erinnert an die sieben Todsünden, die Zahl vierzig an den mit der Fastenzeit verbundenen Zahlentopos. Auffallend häufig wurde in älteren Quellen von Erdbeben verursachtes Glockengeläut erwähnt. Dass die Glocken sich ohne ersichtlichen Grund bewegten, schien die Betroffenen mindestens ebenso sehr zu erschrecken wie die Schäden an den Gebäuden selbst. Schwierigkeiten bei der Textinterpretation ergaben sich auch aus der Verwendung religiöser Begriffe im Zusammenhang mit der Dauer eines Erdbebens, Solche Termini geben nicht zwingend ein authentisches Bild wieder. Das «Pater noster» (Vaterunser) beispielsweise wurde regelmäßig benutzt, um die Zeitdauer eines oder mehrerer Erdbebenstöße anzugeben. Wie lange aber dauerte das Sprechen dieses Gebets? In all diesen Fällen waren wir auf weitere, detailliertere Aussagen angewiesen, um ein gesichertes Bild eines Erdbebens zu gewinnen.

Schwierigkeiten der Datierung

Bei der Datierung der Ereignisse war zu berücksichtigen, dass es bis etwa 1800 keinen einheitlichen Kalender gab; vielmehr bestanden mehrere nebeneinander oder lösten sich ab. Im (frühen) Mittelalter war die römische Zählung mit den Kalenden, Nonen und Iden die verbreitetste Tagesbezeichnung. Oft orientierte man sich auch an den Festen im Kirchenjahr. Daneben gab es aber auch die Datierung, wie wir sie heute kennen: Jeder Wochentag hatte einen eigenen Namen, und die Tage eines Monats wurden fortlaufend gezählt. Zwischen dem 4. und 15. Oktober 1582 ließ Papst Gregor XIII. den bis dahin gültigen Julianischen Kalender dem astronomischen Stand angleichen. Dieser neue Stil wurde «Gregorianischer Kalender» beziehungsweise «Kalender neuen Stils» genannt; er differierte zum vorangegangenen um zehn Tage. Da diese Neuregelung jedoch von der katholischen Kirche vorgenommen worden war, hielten vor allem die protestantischen Regionen der Schweiz an der alten Kalenderzählung fest. Folglich wurden während mehrerer Jahrhunderte zwei Kalender parallel zueinander benutzt und dies bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Diese gleichzeitige Verwendung zweier unterschiedlicher Kalender führte dazu, dass ein Erdbeben je nach Ort anders datiert wurde. Aus diesem Grund gab es in älteren Erdbebenkatalogen viele Duplikate. Um den Einfluss der unterschiedlichen Kalender zu eliminieren, wurden in diesem Buch alle Daten ab 1584 (sofern nicht anders vermerkt) in den Gregorianischen Kalender umgerechnet. In diesem Zusammenhang war es entsprechend wichtig zu wissen, aus welcher Region das historische Dokument mit den Informationen zum Erdbeben stammte. Eine Übersicht über die Daten des Kalenderwechsels findet sich in Anhang 2.

Nell'archivio ci sono In the archive there are 2 terremoti provenienti da questo studio: earthquakes considered from this study:


   
molto grandiextra large
   
grandilarge
   
medimedium
   
piccolismall
   
molto piccolivery small
non parametrizzatinot determined
falsifake
 

Clicca sulla riga per individuare il terremoto sulla mappa o sulla lente per ottenere più informazioni.Click the row to highlight the earthquake on the map or the lens to obtain more information.

  DataDate    Area epicentraleEpicentral area    MDPs   Imax  EQ in
EPICAv1.1
EQ in
EPICAv1.1
Riferim. in
EPICAv1.1
EPICAv1.1
reference
  PDF PDF 
1650 01 18St. Galler Rheintal  2  4    
1881 11 18 03 50Gams/SG  47  6